Noch mehr Überraschungen im Tsavo West
Einen Augenblick hatten wir tatsächlich überlegt noch eine weitere Nacht im Lumo und auf den Fersen des jungen Geparden
Männchens zu bleiben.
Aber erstens brauchte das scheue Tier augenscheinlich sehr viel Platz und Ruhe für eine ungestörte Jagd und zweitens blieben
uns nur noch wenige Tage bis zu unserem Rückflug nach Deutschland. Mit gemischten Gefühlen verließen wir also am späten
Vormittag das Lumo Conservancy und tauchten nur 15 Minuten später in die Wildnis des Tsavo West National Parks ein.
Die frisch aufgeschobenen Wälle am Rande der schnurrgeraden roten Pisten, bescherten uns zwar eine sehr gute "rumpelfreie"
Strecke, aber grundsätzlich war es schon ein schöneres Bushfeeling auf den kleinen, verschlungenen Pisten des Lumo Reservates
zu Pirschen. Aber wie immer war der Tsavo West wieder für Überraschungen gut. Unser erstes Highlight erlebten wir nachdem wir
noch keine 30 Minuten im Park waren.
"Shit!" hatte ich laut gerufen und dann abrupt den schweren Wagen zum stehen gebracht. Noch ehe Petra nachfragen konnte rief
ich:
"Honigdachs!" und sprang aus dem Auto. Im Vorbeifahren hatte ich einen gar nicht mal so kleinen schwarzweißen Körper kopfüber
in einem Erdbau verschwinden sehen. Nachdem ich gestoppt hatte sah ich noch ein wenig rote Erde durch die Luft wirbeln und war
mir eben sicher ein Dachs gesehen zu haben. Als ich mich langsam und vorsichtig dem Erdloch näherte, hörte ich den kleinen Kerl
unter der Erde graben. Und dann entdeckte ich tatsächlich durch eines der Erdlöcher das Fell eines Honigdachses unter mir. Als
ich ihn entdeckt hatte versuchte das schlaue Raubtier noch den Bau zu verschließen und lag dann regungslos unter mir in der
Erde. Ich freute mich über den kurzen Anblick und dann hatten wir den Schauplatz auch schon wieder verlassen.
Unser Ziel war wieder einmal die Kitani Lodge, wo wir einen der Selbstversorger Bandas für 2 Nächte reserviert hatten. Auf dem
Weg zu den Bandas begegneten wir neben Giraffen und Zebras, Geierperlhühnern, entdeckten verschiedene Adler und im Tsavo River
sogar ein kleines Nilkrokodil. Nachdem wir den Tsavo River dann durchquert hatten, wurde der Wildbestand dichter und wir
beobachteten zusätzlich Gnus, Oryx, Eland, Impalas und größere Gruppen Gelber Paviane. Gegen Mittage erreichten wir dann das
Severin Camp, wo wir unseren Schlüssel für unseren Banda im in der nähe liegenden Kiani Camp abholten.
Anschließend richteten wir uns ein und genossen das freie Bushleben. Am späten Nachmittag pirschten wir noch ein wenig durch
die nahe Umgebung und am Abend zelebrierten wir unseren Sundowner und improvisierten einen leckeren Mango - Avocado -
Tomatensalat am Lagerfeuer.






Kitani Bandas - Kitani Lodge, Tsavo West National Park








Für den nächsten Tag hatten wir uns vorgenommen, die alten Ngulia Bandas bzw. die Rhino Valley Lodge anzufahren und
nachzusehen, was aus dem Platz geworden war. Anschließend wollten wir in das Rhino Sanctuary fahren und nach Nashörnern suchen.
Wir waren also mehr als tiefenentspannt an diesem Morgen und hatten es nicht eilig das Camp zu verlassen. Nach dem Frühstück
fuhren wir los und ich hatte mich für die Route entlang der schwarzen Lava Wälle entschieden, einem Gebiet, wo wir vor einigen
Jahren Wildhunden begegnet waren und aus dem immer wieder von Wildhundsichtungen berichtet wurde. An diesem Morgen allerdings
erweckten, kurz nachdem wir das Severin Camp passiert hatten, einige Antilopen unsere Aufmerksamkeit. Schon aus der Entfernung
hatten wir die Warnrufe der Impalas gehört und kaum hatten wir eine Spitze der Lawawälle umfahren, da sahen wir mehrere
Impalaböcke aufgeregt durcheinander laufen. Im ersten Moment glaubte ich an Streitereien unter den Böcken, doch dann sah ich
den wahren Grund ihrer Aufregung. Ein Löwe thronte über einer toten Elandantilope. Ob er tatsächlich der Jäger dieser Beute
war vermochten wir nicht zu sagen. Auf den ersten Blick sah der Kill recht frisch aus. Allerdings hatte es schon irgendein,
vermutlich kleineres, Raubtier geschafft dem Kadaver ein Auge heraus zu lösen, aber auch der Bauch war schon geöffnet. Das
Löwen Männchen hatte ein wenig Blut am Maul und sah gut genährt aus. Während wir unweit des Kadavers noch eine Löwin unter
einem Strauch entdeckten, fing das Männchen an zu fressen und an dem Kadaver herum zu zerren. Wir blieben eine Stunde und
beobachteten das Geschehen.



Nach einer Stunde versuchte der Löwe die Beute in den Schatten zu ziehen, scheiterte aber mit seiner Idee und fing stattdessen
an die Reste des Mageninhaltes zu verscharren. Anschließend zog er sich in den Schatten, neben die Löwin zurück.
"Zurück zu Plan A?" sah ich Petra fragend an.
"Die werden bestimmt jetzt auch erst mal im Schatten bleiben, lass uns wenigstens bis zur Ngulia Lodge fahren!" antwortete
Petra. Ich nickte und dann verließen wir erst einmal den unerwarteten, morgendlichen Schauplatz. Vorbei am Poachers Lookout
und später der Kilanguni Lodge fuhren wir zu den Wasserstellen im Rhino Valley. Unser Timing war gut, während wir unterwegs
nur eher selten Wild zu sehen bekommen hatten, tummelten sich um die Wasserlöcher nicht nur Zebras, Kongonis und einige
Kaffernbüffel, sondern auch eine große Gruppe Masai Giraffen und gleich mehrere Elefantenfamilien. Speziell die Dickhäuter
mit ihrem Nachwuchs sorgten wir jede Menge Lärm und Unterhaltung an den Wasserstellen. Während die Halbwüchsigen jüngeren
Elefanten uns nicht wirklich trauten und immer wieder mit kleineren Drohgebärden vor oder neben uns auftauchten, badeten die
Kleinsten im Schutz ihrer Mütter und Tanten ganz ausgelassen. Rutschten im Schlamm hin und her, Tauchten und Prusteten und
hatten einfach nur Spaß am Leben.


















Nachdem auch die letzten Elefanten weitergezogen waren, fuhren auch wir weiter und hoch zur Rhino Valley Lodge bzw. zu dem was
noch von der alten Lodge über geblieben war. Die meisten alten Gebäude waren bereits abgerissen, wobei es uns besonders um die
ohnehin nicht mehr im original Zustand gewesenen Bandas leid tat. Viele schöne und unvergessliche Erinnerungen hingen an dieser
Lodge in der wir zwischen 1990 und heute immer wieder gerne übernachtet hatten. Neben der Möglichkeit sich selber zu versorgen,
war hier oben die Aussicht einfach fantastisch. Die Aussicht war geblieben und es bleibt nun abzuwarten was die neuen Besitzer
der Lodge aus diesem geschichtsträchtigen Ort machen. Etwas traurig fuhren wir zurück in Richtung Kitani Bandas, wo wir am
späten Nachmittag unbedingt miterleben wollten wie die Löwen an dem Elandkadaver sich verhalten.


Rhino Valley Lodge ex Ngulia Bandas im Abriss und Umbau März 2022, Tsavo West



Unsere Route führte uns quer durch den Tsavo West, so dass wir unterwegs noch ein wenig Wild in Form von Kudus, Oryx- oder
Kongoni Antilopen zu sehen bekammen.
Gegen 16:00 Uhr erreichten wir den Schauplatz des Morgens und fanden das Löwenmännchen am Kadaver vor. Von dem Weibchen fehlte
zunächst jede Spur, stattdessen pirschten zwei Schabrakenschakale um den Kadaver und den Löwen herum.
Dann trauten wir unseren Augen nicht, keine 50 Meter von dem Löwen Männchen und der toten Elandantilope entfernt, lag die
Löwin neben einem frisch getötetem Gnu. Die Raubkatzen hatten unsere Abwesenheit genutzt und unbemerkt ein zweites Beutetier
geschlagen. Während das Männchen immer wieder von seiner Beute fraß beließ es das Weibchen bei der Bewachung des Kadavers.
Wobei außer den beiden Schakalen noch keine Aasfresser zu sehen waren. Erst als das Weibchen sich erhoben hatte, konnten wir
deutlich ihr ausgeprägtes Gesäuge erkennen und durften annehmen, dass sie irgend wo in der Nähe Junge hatte. Mit Einbruch der
Dämmerung waren erste Geier aufgetaucht, landeten aber respektvoll in mehr als einhundert Meter Entfernung oben in einigen
hohen Bäumen.










Als es Anfing dunkler zu werden beschlossen wir zunächst einmal zurück zu unserem Banda zu fahren, der nur
wenige Minuten vom Schauplatz in weniger als 2 Kilometer Entfernung lag. Auf der kurzen Fahrt entdeckten wir dann die erste
Hyäne und waren gespannt wie es an dem Kadaver weiter gehen würde. Am Banda angekommen löschten wir unseren Durt mit einem
eiskalten Savanna Dry und kochten ein einfaches Dinner. Die Thunfisch Spagettis waren schnell zubereitet, das
Lagerfeuer musste dann erst einmal warten, denn wir kehrte nach dem Dinner noch einmal zurück zu den Löwen.
Im Scheinwerferlicht erkannten wir sowohl die Löwen als auch mehrere Tüpfelhyänen. Während das Weibchen gerade dabei war zu
ihrem Gnu zurück zu kehren, hatte der Löwe seine Beute bereits an die Übermacht der Hyänen verloren. Ca. 10 Hyänen konnten wir
verteilt im Gelände zählen. Vorsichtig umkreisten die meisten von ihnen die Löwen, während drei oder vier bereits von der
Elandantilope fraßen. Im Vergleich zu solchen Szenarien in der Masai Mara, ging es hier in der Nacht relativ ruhig zu. Zwar
war hin und wieder das Gekicher der Hyänen zu hören, aber laute Rufe oder wirkliche Aggressionen untereinander waren nicht zu
beobachten. Man war bemüht den Löwen ängstlich aus dem Wege zu gehen und von den kämpferischen, selbstbewussten Hyänen, wie
wir sie aus der Mara kannten, war nichts zu sehen.
Wir blieben eine Weile und sahen dem Treiben an beiden Kadavern zu, ehe wir zurück zu unserem Banda fuhren, dass Lagerfeuer
entfachten und einen späten Drink genossen.






Am nächsten Morgen fuhren wir dann, gleich nach dem Aufstehen und einem frühen Tee, wieder die beiden Kadaver an. Obwohl wir
erst wenige Minuten Tageslicht hatten, hatte sich das Bild total gewandelt, weder Löwen noch Hyänen waren zu entdecken,
stattdessen saßen zwischen 20 und 30 Weißrücken- und Sperbergeier um und an dem Gnukadaver und nackten die letzten Knochen
blank. Ein Großteil des Skelettes der Elandantilope lag abgefressen in der Landschaft, wobei die Hyänen alle vier Beine davon
geschleppt hatten. Auch hier war also der Kreislauf geschlossen, so dass wir zurück zu unserem Banda fuhren um ein vorerst
letztes, deftiges Frühstück in der Wildnis zu genießen. Neben den obligatorischen Spiegeleiern, landeten an diesem Morgen
so ziemlich alle Reste aus dem Kühlschrank in der Pfanne und ich zauberte ein kräftiges Omelett, welches dann auch bis zum
Abend vorhalten musste.
Umringt von verschiedenen Vögeln und Bushhörnchen hockte ich, ein wenig wehmütig, auf der Terrassenmauer unseres Bandas und
ließ die ereignisreichen letzten Wochen noch einmal Revue passieren. Natürlich war es kein Abschied aus dem Bush für immer,
aber ein bisschen weh tat es trotzdem.






"Komm, wir haben heute noch ein Stückchen vor uns!" riss Petra mich aus meinen Gedanken und forderte mich zum Packen auf.
Unser Gepäck war dann schnell verladen und wir dann zunächst auf dem Weg in Richtung Mtito Andei. Unterwegs stellten wir fest,
dass die nächste Regenzeit sich immer deutlicher ankündigte und es in den nördlicheren Teilen des Tsavo West bereits zu
heftigen Regenfällen gekommen war.
"Keine schlechte Zeit zu gehen!" stellte ich fest, während wir vorbei an tiefen Pfützen und roter, matschiger Erde fuhren.
Zum Abschied und bevor wir die Wildnis des Tsavo verließen entdeckten wir noch einen kleinen Schwarm Rotbauchpapageien. Die
hübschen Krummschnäbel kletterten in einem Busch herum und hatten durch ihr heiseres Gekrächze auf sich aufmerksam gemacht.
"Cool, die haben wir lange nicht gesehen!" freute ich mich über dieses weitere kleine Highlight. Ganz in der Nähe der
Papageien hatte eine Nacktmullkönigin ihren Staat direkt auf der Piste aufgebaut. Wobei wir, wie schon so oft, nur die
aufgeworfenen Erdhügel in der roten Erde zu sehen bekamen. Die nacktem Nagetiere blieben wie immer verborgen in ihren
unterirdischen Gängen.
Wenig später erreichten wir
das Main Gate vor Mtito Andei und mussten erst einmal unsere Parkgebühren nachbezahlen. Breit grinsend empfing uns einer der
Ranger am Gate:
"We are waiting for you!" erklärte er mir der Ranger.
"I'm sure you are waiting for me, but we did not pass at Mzima Springs!" antwortete ich. Bei der Einfahrt in den Tsavo, vor
drei Tagen, war es am Maktau Gate nämlich nicht möglich gewesen zu bezahlen. Wegen eines defekten Solarsystems arbeiteten die
Kreditkartenabrechnungen nicht und man hatte mir freigestellt entweder bei den Rangern am Mzima Springs oder am Hauptgate bei
der Ausfahrt zu bezahlen, was ich nun vorhatte. Währen der irrwitzig langen Prozedur des hin- und her Buchens auf die KWS
Safarismart Card, fragte ich im Büro nach, ob es tatsächlich ab Mitte des Jahres nicht mehr möglich war direkt am Gate zu
bezahlen.
"Yes, it will come soon. From beginning of June you have to pay online!" erklärte mir der KWS Beamte während er auf seinem
Computer immer noch mit meiner Abrechnung beschäftigt war.
"And than, the new system will be so fast as the old one? So better I have always to book some weeks before?" sah ich ihn
verschmitz lächelnd an und bekam ein schneeweißes Lächeln zurück.
"I think it will not run from the beginning, but it will come!" lachte der Beamte und reichte mir nach dreißig Minuten meine
Unterlagen zum Ausschecken.
"Thats why I love Africa, you always have new brilliant ideas! lachte ich und nahm meine Papiere.




Auf der anschließenden Fahrt nach Nairobi passierten wir irgendwo im nirgendwo eine Highschool Abschlussfeier, die einen
Großteil der Hauptstraße blockierte. Im Gegensatz zu den meisten Autofahrern, die sich über den Stau ärgerten, freuten wir uns
mit den jungen Kenianer(innen) und wünschten ihnen durch das geöffnete Fenster alles Gute für die Zukunft! Außerdem stimmte uns
ein mit lebenden Hühnern auf dem Dach beladenes Matatu nachdenklich und führte unsere Gedanken zurück an den Anfang unserer
Safari, wo vor knapp 6 Wochen zwei Schakale wenig zimperlich ein Gazellen Kitz gerissen hatten
Der Rest der Fahrt verlief dann recht unspektakulär, so dass wir gegen Abend Nairobi erreichten, wo wir bei Gaby und Dave
wieder in das Gästezimmer einzogen. Den Abend verbrachten wir dann zusammen mit den beiden und tauschten unsere Erlebnisse
gegen die Zukunftspläne und Infos zu den Camps in der Mara, sowie die neusten Ideen für die Camps im Lumo und das Reservat
selber. Am Ende konnte ich es gar nicht mehr abwarten wieder zurück in die Wildnis zu kehren. Aber am nächsten Morgen ging es
zunächst zu Evi und Gerd, wo wir den Nachmittag verbrachten, bevor es dann erst einmal zurück nach Deutschland ging.


Neben dem Wild und den Camps in der Wildnis sind es natürlich auch viele der Menschen die in Kenya leben, die dieses Land für
uns zu einer zweiten Heimat gemacht haben und die dafür sorgen, dass wir immer und immer wieder zurückkehren werden. Schon
jetzt sind die Pläne für eine nächste Safari gemacht, die Tickets liegen bereit und die Gedanken in meinem Kopf kreisen um
neue Abenteuer und Erlebnisse in Kenya.
- Ende -

|