Spannende Tage vor dem Abflug "Ich fliege nicht mit!" betonte Petra noch einmal ausdrücklich und starrte wieder auf das Telefon vor sich! "Nicht bevor ich weiss, dass alles in Ordnung ist und Jenny und das Baby gesund sind!" Das erste Mal in meinem Leben gab es, zumindest für mich, eigentlich keinen Plan B und Plan A sah nun einmal vor, dass wir am 02.10.14 pünktlich in Hamburg in unseren Flieger steigen und nach Kenya fliegen. Aber ich wünschte mir nichts sehnlicher als einen Plan B! Natürlich wollte auch ich am liebsten noch vor dem Abflug mein Enkelkind in den Armen halten oder zumindest am Telefon schreien hören. Noch waren ja auch drei Tage Zeit beruhigte ich mich selber, während ich die Kameraausrüstung und andere Dinge zusammen packte. Ich musste Petra schon früh versprechen, dass ich keine weitere Safari in diesem Jahr mehr unternehmen würde (sorry Mareen und Sebastian) und ich wusste ganz genau, dass unsere eigene Safari zu einem Desaster werden würde, wenn Krümel nicht rechtzeitig das Licht der Welt erblicken würde. Aber ausser Warten konnten wir nichts tun. "Soraya ist geboren, 3680g, 52 cm, kerngesund und munter! Dem Papa und mir geht es gut! Sehn wir uns nachher?" kam der rettende Anruf am Nachmittag, zwei Tage vor unserem Abflug! Ich würde lügen, wenn ich jetzt schreiben würde, dass mir in erster Linie unsere Safari durch den Kopf ging, nachdem ich das Telefon zur Seite gelegt hatte. Aber ein Stein viel mir schon vom Herzen. Ich musste oder durfte mich also nun an den Titel "Babu" (suahaeli für Opa) gewöhnen! Aber der unglücklich gelegte Geburtstermin unserer ersten Enkeltochter war nicht der einzige Grund warum unsere Safari (diesmal noch vor dem Start) zu scheitern drohte. Anfang September hatte ich mir etwas unglücklich den linken Fuß verdreht. Diagnose im Krankenhaus: Aussenbandriss im Sprunggelenk! Aber da Petra ihre letzte Safari mit einer gebrochenen Rippe beendete (Februar 2014) und ich schon einmal mit einem gebrochenem Finger in der Mara unterwegs war, sollte und konnte uns ein bisschen Bänderriss nicht wirklich aufhalten. Ich buchte mich als "Gehbehindert" in den Flug nach Mombasa ein, genoss den Service eines Elektroautos auf dem Amsterdamer Flughafen und hatte auch kein schlechtes Gewissen mich in einem Rollstuhl über den Flughafen in Nairobi schieben zu lassen. Ganz abgesehen davon, dass ich wirklich noch nicht ganz schmerzfrei laufen konnte, bescherte uns der Service eine ungewohnt schnelle und unkomplizierte Einreise und Abfertigung in Nairobi! Und so erreichten wir planmäßig gegen 01.00 Uhr Mombasa und fielen knapp eine Stunde später, doch etwas müde, in unsere Betten im Boko Boko! Wir lauschten noch kurz den Fröschen, Grillen und Zikaden und schliefen dann zufrieden ein.
Zu Hause im Boko Boko Obwohl die Nacht kurz war, erwachten wir ausgeruht und voller Tatendrang am nächsten Morgen recht früh. Wie immer drehte ich eine kurze Runde durch den üppig grünen Urwald des Gartens, wagte einen prüfenden Blick über die Mauer des Krokodilgeheges, sah nach den vier Aldabra Riesenschildkröten und dann genossen wir den strahlend blauen Himmel und ein erstes Frühstück am Pool des Boko Boko. Die schlechten Nachrichten über Terroranschläge im Land am Anfang des Jahres sowie die aktuellen Berichte über Ebola in Westafrika, hinterließen auch im Boko Boko ihre Spuren. Wir belegten als einzige Gäste einen der drei Bungalows und auch in den Doppelzimmern herrschte gähnende Leere. Ich wusste nur zu gut, dass es auch in den kommenden Monaten nur wenige Anfragen, dafür aber Stornierungen gab! Schade, dass sich so wenige Menschen richtig informieren, dachte ich. Letztendlich ist der Weg von Monrovia, Liberias Hauptstadt bis nach Frankfurt kürzer als der ins ostafrikanische Nairobi oder gar nach Mombasa! Und im Gegensatz zu Deutschland und z.B. der USA gab es in Kenya noch keinen nachgewiesenen Ebola Fall. Die Ruhe im Boko Boko war für uns trügerisch, im Laufe der letzten Monate waren inzwischen drei von Yolandas Enkelkindern auf dem Gelände zu Hause und sorgten wie schon so oft für quirlige Abwechslung. Mit Collin, Yolandas jüngstem Sohn sahen wir uns neue Strandabschnitte an und auf einem anderen Teil der Farm besichtigten wir die Baustelle von Eriks (auch ein Sohn von Yolanda) Haus. Ganz besonders freuten wir uns über die ersten Mieter in seinem Rohbau, zwei Baby Buschbabys! Die winzigen Säuger hatten sich unter anderem im Raum des Badezimmers eingenistet und turnten Nachts durch den Dachstuhl! Am Samstag nach unserer Ankunft bekamen wir Besuch von "Mama Chui"(im nicht Kenya Leben Alexandra), ihrem Mann Jürgen und ihren langjährigen Reise- und Safaribegleitern, Antje und Bernd. Kennengelernt hatten wir uns vor einigen Jahren im Fig Tree Camp, in der Masai Mara. Seit dem hatten wir uns nie wieder gesehen, allerdings stets Kontakt via E-Mail. Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen im Boko Boko und tauschten jede Menge Erfahrungen und Erlebnisberichte aus. Da die Vier gerade aus der Masai Mara zurückgekehrt waren erhielten wir auf diese Weise viele wertvoller Hinweise für unsere bevorstehende eigene Safari, im Bezug auf Wetter, Pistenverhältnisse und Wildbewegungen.
In diesem Jahr waren wir, im Vergleich zu anderen Jahren, recht spät angereist und da wir gerne zumindest noch ein paar Gnus der Migration in der Mara antreffen wollten, blieben wir nur wenige Tage an der Küste. Der Abschied in Richtung Nairobi wurde uns diesmal allerdings auch gar nicht schwer gemacht, den es regnete an zwei aufeinander folgenden Tagen wie aus Eimern! Grundsätzlich mag ich den tropischen Garten im Boko Boko besonders bei Regen, wenn von die vielen sattgrünen, großen Blättern große Tropfen rollen. Wenn es überall lautstark platscht und tropft und die oft schwülwarme Luft auf einmal ganz klar wird und es nach frischem Grün riecht! Nach so einem Tropenguss lassen sich dann überall auf den kleinen Wegen und Pfaden im Garten Frösche, Kröten, große Achatschnecken und allerlei anderes Getier beobachten. Aber auf der anderen Seite hätten wir auch nichts gegen ein bis zwei Tage mehr mit Sonnenschein und warmen Wasser am Indischen Ozean gehabt!
Unser Frühstück hatten wir uns einpacken lassen und so verließen wir das Boko Boko um die Zeit, an der normalerweise die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erhellten. An diesem Morgen aber zeigte sich, dass das Beste an unserer Safarivorbereitung der Kauf und Anbau von neuen Scheibenwischern war. Erst als wir den Ort Buchuma passiert hatten riss der Himmel allmählich auf und wir sahen die Sonne durch die Wolkendecke blitzen. Da wir ungern die rund 500 Kilometer bis nach Nairobi in einem Stück fahren wollten, hatten wir uns die alte Hunters Lodge als erstes Etappenziel ausgesucht! In Voi kontrollierten wir noch einmal unsere Achsbolzen, füllten den Tank und fuhren dann weiter durch das, ab hier sehr trockene, Tsavo Gebiet. Während wir an den großen von den Chinesen betriebenen Baustellen und Betriebshöfen am Straßenrand vorbei fuhren, dachten wir wehmütig an die Zeit zurück als die Straße Mombasa - Nairobi nichts weiter als pure Wildnis durchschnitt. Allerdings dachten wir auch an die Zeit zurück, als diese Straße nur aus überdimensionalen Löchern und kaputten Asphalt bestand oder an die Jahre auf denen wir entlang der Hauptstraße, hunderte Kilometer auf staubigen Bushpisten, dahingeholpert sind. Damals noch mit gemieteten Suzuki Jeeps und später mit dem alten Land Rover 109. Wäre nicht der dichte LKW Verkehr, wäre die Strecke heutzutage geradezu gemütlich zu fahren.
Hin und wieder sahen wir Dik Dik´s und Zebras am Straßenrand grasen. Gelbe Paviane saßen wie immer, wie die Wegelagerer entlang der Route und kurz hinter Tsavo entdeckten wir sogar eine Gruppe roter Elefanten im Bush unweit der Straße! Gegen Mittag erreichten wir ohne Zwischenfälle die Hunters Lodge. Unser letzter Besuch lag mehr als ein Jahr zurück, damals war die Lodge frisch von der Mada Gruppe übernommen worden und es waren umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten im Gange. Bis Mitte des Jahres entsteht hier ein Pool, hatte man uns Anfang 2013 erklärt. Als wir nun auf der Baustelle der Lodge standen, war das Loch für den Pool auch tatsächlich und deutlich zu erkennen, mehr aber auch nicht. Überall wurde gehämmert, gebohrt und gesägt! Freundlich bot man uns an: "We can give you accommodation for the old rate!" "In witch room?" wollte ich wissen in welchem Räumen, "the old ones!" war die einfache Antwort "Asante!" ich schüttelte den Kopf "Noch sind wir gut in der Zeit" sagte ich zu Petra und griff zum Telefon. In Nairobi wollten wir bei Freunden übernachten und so fragte ich kurzerhand nach ob man uns auch für zwei Nächte und schon heute Abend aufnehmen würde! Ohne weitere nennenswerte Pausen fuhren wir also weiter bis nach Nairobi, wo wir gegen 16.00 Uhr den Stadtrand der Hauptstadt erreichten. Der Verkehr floss besser als wir erwartet hatten und wären da nicht die vielen neuen Hochstraßen, Brücken und Kreisel gewesen, wir hätten Gaby und Dave sowie unsere Unterkunft noch bei Tageslicht erreicht! Dennoch waren wir froh über unsere Entscheidung bis nach Nairobi durchgefahren zu sein, gab uns der Zeitgewinn doch die Gelegenheit wieder einmal ein wenig durch Karen zu fahren, an der Ngong Road nach Möbeln zu suchen und vor allem mehr Zeit bei Daphne und ihren Waisentieren zu verbringen. Zu Besuch bei Daphne Sheldrick Wir nutzten noch einmal die Gelegenheit um etwas länger zu schlafen, kümmerten uns um den Land Cruiser und bezahlten dann bei Sunworld Safaris unseren Aufenhalt im Mara Bush Camp. Anschließend fuhren wir via dem alten Vorort Karen in Richtung Nairobi National Park und dort direkt zu Daphnes Haus am Parkrand. Die offizielle Besuchszeit war bereits vorüber, als wir das Gate zum National Park passieren wollten. "You are to late for today!" wollte uns eine Rangerin am Gate aufklären. "It´s a private visit!" lächelte ich ihr zu, woraufhin sie uns passieren ließ. Angela, Daphnes jüngste Tochter, hatte mir per Mail geschrieben, dass es Daphne im Moment nicht allzu gut geht und sie an das Bett gebunden ist. Das Daphne uns dennoch empfangen wollte unterstrich unsere Freundschaft und wir empfanden es als Ehre!
Mit dem Handrücken klopfte ich eher zaghaft an die hintere Küchentür von Daphnes Holzhaus. Ein junges dunkelhäutiges Mädchen, wie sich später herausstelle Daphnes persönliche Krankenschwester, öffnete uns. "Is Daphne able to welcome us?" fragte ich etwas verunsichert! Die Schwester verschwand kurz und winkte uns dann herein. Mit, vom liegen zerzausten Haaren, saß Daphne, deutlich geschwächt am Tisch und aß einen Salat und ein paar Spaghetti. "Hi Georg, how are you doing, nice to see you again!" empfing sie uns gewohnt freundlich und mit fester Stimme! Nach wenigen weiteren Sätzen fragte sie: "Have you been to the elis? Just ask Edwin and have a look to them, there are so many in the moment!" Wir ließen Daphne in Ruhe zu ende essen und folgten erst einmal ihrem Vorschlag, die Waisenelefanten aufzusuchen. Ich suchte nach Edwin, dem Chef Keeper, konnte ihn aber nicht finden. Zuletzt hatten wir ihn bei unserer Ankunft vorne am Gate gesehen. Da wir aber wussten, dass die jungen Waisen Elefanten nie weit von der Stockade entfernt im Bush waren, machte wir uns zunächst alleine auf den Weg, trafen aber schon nach wenigen Metern auf einen Keeper und folgten ihm in den Bush! Noch ehe wir auf die ersten Minijumbos stießen bemerkten wir "Kili", eine 2 Monate alte Masai Giraffe aus dem Amboseli National Park. Völlig entspannt stand das über 2 Meter große Baby in der Nähe seines Keepers und hatte auch nichts dagegen, dass wir uns ihm vorsichtig näherten. Eine ganze Weile blieben wir in Kilis Nähe, streichelten das weiche Fell seines Halses und lachten über seine staksigen Schritte und Sprünge wenn er übermütig wurde!
Anschließend ging es weiter zu den beiden Elefantengruppen die aktuell im Nairobi Waisenhaus aufgezogen und für ein Leben in freier Wildbahn, in der Regel im Tsavo, vorbereitet wurden. Erst tummelten wir uns eine Weile zwischen den Kleinsten und Jüngsten, ließen auf unseren Fingern lutschen und bliesen unseren Atem in ihren kleinen Rüssel. Wie schon so oft staunten wir über die Kraft der kleinen Elefanten, wenn sie mit Rüssel oder Stirn anfingen uns vor sich her zu schieben.
"In the moment we have 26 elephant babys here in Nairobi!" erklärte man uns auf dem Weg zu den etwas älteren Elefantenwaisen. Die deutlich größeren Tiere der zweiten Gruppe, waren etwas tiefer im Bush unterwegs und anders als die ganz Kleinen standen diese Jumbos weit verstreut und verteilt um ihre Keeper herum. Einige lagen entspannt im Schatten, andere rauften mir ihren Artgenossen und wieder andere zupften mit ihren Rüsseln Blätter von den Sträuchern. Immer wieder kamen die Tiere zurück zu ihren Keepern um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen oder uns neugierig mit dem Rüssel zu betasten. Einer der kleinen Kerle ließ es sich nicht nehmen, mir zu demonstrieren, dass er mal ein ausgewachsener Elefantenbulle werden wollte. Laut trompetend und mit abgespreizten Ohren rannte er auf mich zu, um im selben Moment von seinen Keepern ermahnt zu werden und dann schmollend abzudrehen. Wir lachten!
![]() Irgend wann kam ein Keeper mit einer Schubkarre voller frischen Milchflaschen und uns war klar das uns nun keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt werden würde. Gemeinsam mit einem der Keeper gingen wir zurück zu Daphnes Haus und holten erst einmal unsere Mitbringsel aus unserem Land Cruiser. Mehrere Paar guter Militärstiefel und einen halben Seesack voller Verbandszeug hatten wir mitgebracht. Utensilien die im Kampf gegen Wilderei und auf Bush Patrouille hilfreich und nützlich waren. Anschließend betraten wir wieder Daphne Haus und empfanden das Gefühl an ihrem Krankenbett, in ihrem Schlafzimmer zu stehen und über Wilderei und den KWS zu sprechen schon etwas befremdend. Wir wollten Daphne nicht zu lange stören und ihr ihre sicher benötigte Ruhe gönnen und verabschiedeten uns nach nicht einmal einer Stunde. Zum Abschied signierte Daphne uns noch drei ihrer neu erschienen Bücher (in deutscher Sprache), mit einer kleinen persönlichen Widmung. Da Angela immer noch unterwegs war, zogen wir uns nach diesen ganz persönlichen Momenten eine Weile auf die Terrasse des alten Hauses von Jill und J.F. zurück. Während wir in den alten Lehnstühlen saßen, schweifte unser Blick über den Nairobi National Park vor uns und unsere Gedanken schwelgten in Erinnerungen. Oft hatten wir hier mit Daphnes älterer Tochter Jill und ihrem Lebensgefährten gesessen, hatten Tusker getrunken, hatten unserer Tochter und Jills Töchtern Zoe und Emeli beim Spielen im Staub des Parks zugesehen oder uns über jedes Stück Wild an der kleinen Wasserstelle gefreut. Am nächsten Morgen verließen wir Nairobi bei Sonnenaufgang und fuhren in Richtung Masai Mara. - Teil II - Wildlife Stories - von Erlebnissen mit wilden Tieren in der Masai Mara (hier gehts weiter!) |