Die lang ersehnte Regenzeit Es regnete, endlich regnete es. Das ganze Land lechzte nach Regen, wartete auf das ersehnte Wasser von oben. Fast ganz Kenya war wieder einmal von einer Dürre betroffen. In den Reservaten und National Parks starben Tiere, verhungerten auf trockenem, graslosen, Ödland. In der Mara und im Samburu waren die ersten kleineren Regenfälle schon Anfang Oktober gefallen. Im Tsavo und Amboseli war es immer noch unglaublich trocken. Uns erwischte der erste Regen gleich nach unserer Ankunft in Nairobi. Natürlich gönnten wir (Holger und ich) dem Land, den Menschen und der Tierwelt den Regen, aber geplant war das so nicht. Natürlich hatte ich bei der Vorbereitung nicht mit eingeplant, dass die Große Regenzeit im April-Mai im Samburu Gebiet ausfällt und natürlich hatte ich gehofft, dass der Regen erst planmäßig im November einsetzt. Aber wer kann in den letzten Jahren schon die Wetterkapriolen vernünftig mit in eine Safariplanung einbeziehen! Neben dem nun dringend gebrauchten Regen, beeinflusste nun auch noch Kenyas genauso unberechenbare Politik unsere Safari! Eigentlich sollte die Wahl zum neuen Präsidenten im August abgeschlossen sein, aber nach gewalttätigen Demonstrationen, kleineren Aufständen und Annullierungen fiel nun der neue Wahltag genau in unsere Safari. Ich war mir sicher, dass wir im Bush nichts von der Wahl mitbekommen würden und hoffte, dass die Straßen in Nairobi am Tage unserer Abreise ruhig sein würden.
![]() Schon gestern hatten wir das Glück, wegen des Mashujaa-Tages relativ leere Straßen vorzufinden und auch heute, kamen wir zügig in der Stadt voran. In den Kreiseln auf dem Uhuru Higway stand das Wasser zwar zentimetertief und als wir wenig später die Stadt in Richtung Mount Kenya verließen, erwischte uns ein Platzregen, der den Verkehr fast zum erliegen gebracht hätte, aber im Großen und Ganzen war es übersichtlich! Als wir über die gut ausgebaute Asphaltstraße fuhren musste ich zwangsläufig an Namibia denken, wo wir im letzten Monat auf vielen guten Straßen unterwegs waren. Einzig, dass in Namibia niemand auf die Idee kommen würde, auf einem Highway "Bumps" einzubauen!
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Irgend wann hatten wir Thika erreicht und der Regen hörte auf und wir sahen zum ersten Mal ein wenig blauen Himmel, auch wenn die dunklen Wolken überwogen! Von der voran gegangenen Dürre war hier oben im Hochland nichts mehr zu erkennen. Die Landschaft war grün und üppig, die kleinen hölzernen Verkaufsstände der Kikuju prall gefüllt mit den verschiedensten Früchte- und Gemüsesorten. Rechts und links der am Thika nur noch einspurigen Straße tauchten immer wieder kleine Shambas mit großen Bananenstauden oder kleinere Kaffeefelder auf.
Der Himmel klarte immer weiter auf und so hielten wir an einer der kleinen Kaffeeplantagen an und suchten nach Chameleons in den Kaffeesträuchern. Insgeheim hofften wir auf Unterstützung von Einheimischen und deren Kindern. Aber irgendwie waren alle sehr beschäftigt. Es wurden Äcker gepflügt und gehackt und der Boden bestellt, überall sahen wir Kikujus auf den Feldern, die den Boden aufbrachen und Saat ausbrachten. Als ich eine Handvoll Kinder um Hilfe bitten wollte, rannte die kleine Schar schreiend davon und von zwei alten Kikujus bekam ich wenig später interessante Antworten: "Chamelons? Yes, you can find them here! But in the rain saison they are all running away!" war die erste Antwort und ein alter Mann am Wegesrand erklärte: "No Sir, we don´t have chameleons here! I have never seen one in my life here!" Ups, dachte ich und erinnerte mich an einen Zwischenstopp am Mount Kenya auf der Ostseite, bei dem mir eine Gruppe von Kindern innerhalb von 20 Minuten 10 Chamäleons gebracht hatte! Da ich auch rund um Nairobi in den Kaffeeplantagen schon öfter Helm- und Jackson Chamäleons gefunden hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es ausgerechnet hier keine geben sollte. Holger und ich sahen aber ein, dass es aktuell in dem üppigen Grün der Plantage schwer war die kleinen Reptilien zu finden! "Ganz sicher bei Petra auf Sandai! Dort habe ich bisher immer welche gefunden" erklärte ich Holger und brach damit die Suche ab!
![]() Als wir Nyeri erreichten schien tatsächlich ein wenig die Sonne, aber bereits weniger Kilometer später schloss sich die Wolkendecke über uns wieder. Aber ich war schon froh, dass es nicht regnete. "Bei Regen ist die Anfahrt auf Sandai alles andere als lustig!" erklärte ich Holger, während wir die holprige, aber trockene Bushpiste in Richtung Sandai Farm befuhren. Tatsächlich war die Piste in einem recht guten Zustand und war eben einfach nur holprig. Erst nachdem wir das Gate zur Farm durchquert hatten wurde es etwas matschiger, der Himmel hatte sich noch weiter zugezogen. Weder der Mount Kenya, noch die Aberdares waren auch nur ansatzweise zu erkennen. Bei Petra auf Sandai "Oh, ihr seit schon da!" nahm Petra mich in den Arm und begrüßte auch Holger auf ihre herzliche Art. Nachdem ich ihr Holger vorgestellt hatte und wir einen der beiden Rundbungalows bezogen hatten, verbrachten wir einen entspannten Nachmittag am und im Haupthaus. Wobei entspannt vielleicht der falsche Ausdruck war und sich vermutlich nur auf meinen Körper bezog, den mein Geist ratterte! "Wie ist euer Plan für die nächsten Tage?" fragte Petra mich am Nachmittag. "Wenn es trocken ist wollen wir morgen nach Solio rüber, ein wenig Nashörner beobachten und dann für 9 Tage in den Samburu!" "Samburu, Samburu wird gerade evakuiert!" sagte Petra und zückte ihr Handy. Ich zuckte zusammen und musste an die große Flut von 2010 denken. Damals mussten die Menschen mit Hubschraubern aus dem Hochwassergebiet gerettet werden. Es hatte immense Schäden an Camps und Fahrzeugen gegeben und sogar die Brücke zwischen Buffalo Springs und Samburu Reservat wurde damals weggespült. "Was ist mit den Camps, hast du etwas über den Zustand der Brücke gehört?" viele Fragen taten sich auf einmal auf. "Ne, genaueres weiß ich auch noch nicht, passiert ja gerade erst! Ich weiß nur, dass eine Freundin von mir gerade mit ihrem Campingzelt evakuiert wird. Ich halte dich auf dem Laufenden, bis heute Abend wissen wir vielleicht mehr!" Ich nickte und fing an mir Gedanken über einen Plan B zu machen. Bis zum Abend gab es immer wieder unterschiedliche Meldungen und selbst am nächsten Morgen nach dem Frühstück war die Situation noch unklar. Zunächst war allerdings unsere Reservierung für das Sentrim Camp storniert und wir in die Sopa Lodge umgebucht. Aktuell wusste niemand welche Camps am Ufer des Ewaso Ngiro noch standen bzw. geöffnet hatten. Nach Infos von Margit (Kiwara Safaris) aus Mombasa hatte z.B. auch das Elephant Bedroom geschlossen. Von unserem zweiten Camp, dem Lion King Camp konnte ich keine Infos bekommen. Vermutlich hatte Nahim genug mit sich selbst und dem Camp zu tun! Die Situation war also mehr als unklar! Die Sopa Lodge war zwar wegen ihrer Lage nicht mein Traumziel, aber auf jeden Fall lag sie hoch und trocken im Samburu Reservat! Und das schien angesichts der kräftigen Regenfälle in den Aberdares nicht ganz unerheblich!
![]() Der neue Tag hatte allerdings sonnig begonnen und so blieben wir bei unserer Idee auf die Solio Ranch zu fahren und vornehmlich nach Nashörnern zu suchen! Denn die Rhinozerosse fehlten Holger, nach seinen beiden Safaris in den Tsavo und in die Masai Mara, noch in seiner Sammlung zu den Big Five! Da es aber am Vorabend und auch in der Nacht noch reichlich geregnet hatte und ich um den schwierigen Boden auf Solio wusste, warteten wir zunächst noch etwas ab und hofften, dass der Boden weiter abtrocknete. Nachdem wir uns von den interessanten und netten Gästen, mit denen wir den Abend bei Petra vor dem Kamin verbracht hatten verabschiedet hatten, fuhren wir rüber auf die Solio Ranch. (an dieser Stelle ein ganz herzliches Jambo an Jenny und Andreas) Petra hatte uns zwar schon bestätigt, dass es keine matata (Probleme) auf Solio geben sollte, aber dass die meisten Pisten so trocken und gut zu befahren waren hatten wir nicht erwartet. Dennoch mussten wir noch bevor wir zur Nashornbeobachtung übergehen konnten, erst einmal einen Ranger, der sich auf einer der Pisten festgefahren hatte, aus dem Schlamm retten!
![]() Mann hatte uns empfohlen östlich des kleinen Rivers im Reservat zu bleiben, dort sollte sich das meiste Wild aufhalten und so war es dann auch. Wir beobachteten Steppenzebras, Defassa Wasserböcke, Impalas, Elenantilopen, Kaffernbüffel und natürlich immer wieder und reichlich Breitmaulnashörner. Viele der gewaltigen Hornträger führten Nachwuchs, bzw. ließen ihn vor sich her traben. Genau wie bei meinem letzten Besuch vor rund einem Jahr erlebten wir häufig sehr nervöse Nashörner, trotzdem gelang es uns mehrfach viel Zeit in nächster Nähe der grauen Kolosse zu verbringen. Anfangs war Holger wegen der geringen Distanz zu den Tieren etwas skeptisch, doch dann genoss er es einfach nur noch, wenn die großen Grasfresser neben dem Land Cruiser grasten oder vor uns die Piste überquerten! Die Anwesenheit von Löwen ließ sich nur anhand der vielen gar nicht mal so alten Kadaver und Kills ablesen.
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Die Sonne und der afrikanische Himmel meinten es an diesem Tag gut mit uns und so pirschten wir bei strahlendem Sonnenschein durch die Akazienwälder am Ufer des Bachlaufes oder über die offenen zart grünen Grasflächen. Während der heißen Mittagsstunden zogen wir uns kurz unter eine große gelbe Fiberakazie zurück und genossen unser wieder einmal viel zu reichliches Lunch, welches Petra uns mitgegeben hatte. Vor uns grasten einige Warzenschweine und ein paar Wasserböcke und in einiger Entfernung weidete ein Nashornbulle!
Zwar suchten wir an diesem Tag vergeblich nach einem Spitzmaulnashorn aber Holger wurde mit mehr als 40 großen und kleinen Breitmaulnashörnern entschädigt und ich entdeckte zu guter Letzt einen Zorilla, ein afrikanisches Stinktier und konnte mein Glück kaum fassen. "Die habe ich bisher immer nur als Roadkill, platt wie eine Flunder zu sehen bekommen!" erklärte ich Holger begeistert! "Wer hätte gedacht, dass ich nach den neuen Säugetieren in Namibia nun auch noch eine für mich neue Art hier in Kenya entdecken würde!" rief ich Holger zu, während ich versuchte das offensichtlich leicht verletzte Tier in einem dichten Busch wieder zu finden. Aber der kleine gefleckte Stinker hatte sich gut versteckt, anscheinend ging es ihm besser als ich vermutete! "Gibt es für neue Arten auch einen Whiskey für dich oder nur für Katzen!" sah er mich lachend und fragend an! "Für den gibt es einen Whisky!" antwortete ich immer noch überwältigt von unserer Beobachtung!
Auf Sandai erfuhr ich von Petra, dass sie grundsätzlich nichts neues aus dem Samburu wusste, dafür hatte Nahim sich inzwischen gemeldet und bestätigt, das wir trotz der Flutwelle ins Lion King Camp kommen sollten! Bei Petra hatten die Gäste inzwischen gewechselt und so waren wir mit unserer Ungewissheit nicht mehr alleine. Denn auch Julian wollte mit seinen Eltern in den Samburu und dort ins Elephant Bedroom Camp. Er hoffte in nächster Zeit aktuelle Infos zu bekommen! Am nächsten Morgen war zumindest Julian einen Schritt weiter, sein gebuchtes Camp war wieder geöffnet! Wir diskutierten mit Petra während des gemeinsamen Frühstücks, über dass was uns wohl im Samburu erwarten würde und brachen dann alle gemeinsam in Richtung Nanyuki auf. Petra und Jessy ihre Tochter hatten dort etwas zu erledigen und für uns lag es ja sowieso auf dem Weg. Petra hatte sich angeboten uns eine neue Route zu zeigen, sozusagen die Abkürzung für die Abkürzung und so holperten wir hinter ihrem Prado hinterher. Plötzlich stoppte der Prado und Petra stieg aus: "Du kannst doch ins Sentrim fahren, Margit hat gerade angerufen! hast du dein Handy nicht an?" "Nö, ich muss Batterie sparen!" grinste ich zurück und freute mich, das wir am Flussufer bleiben konnten. Ohne wirklich zu wissen, was uns dort erwartete! Nachdem wir die Asphaltstraße nach Nanyuki erreicht hatten, verschwand Petra aus unserer Sicht. Der schwere Land Cruiser konnte einfach nicht mithalten! Aber von hier aus kannte ich ja auch den Weg. Von Julian und seinen Eltern (Gruß an dieser Stelle) verabschiedeten wir uns in Nanyuki an der Tankstelle. Anschließend erledigten wir noch kleinere Einkäufe in der Stadt und brachen dann auch auf in Richtung Archers Post und Samburu Reservat.
Eine Stunde später tankten wir in Isiolo, ein letztes Mal bevor wir im Bush verschwinden wollten. Aus dem kleinen Somali Dorf war eine richtige Stadt geworden, woran die neue Asphaltstraße sicher nicht ganz unschuldig war. Prägten damals schlanke Somali mit ihren Rindern und Kamelen das Straßenbild, so war es nun eher bunt wie überall in Kenya. Geschmückte Samburu oder Boran, verschleierte Muslime, in Tücher gehüllte oder europäisch gekleidete Einheimische, dazu viele Tuk Tuk, Motorräder, Pick Upp und andere Fahrzeuge, aber auch Ziegen und Rinder wuselten zwischen neuen Häusern und Holzständen umher. Die Umgebung war ungewohnt grün. Wo sonst trockener Staub überwog, wuchs nun grünes Gras. Viele Akazien blühten und standen in vollem Laub.
![]() Trotz der Ungewissheit über den Zustand der Piste und der Brücke, entschloss ich mich in Ngaremara abzubiegen und es zu wagen via Buffalo Springs in das Samburu Reservat zu fahren. |