Ein Reisebericht von:
Safari wangu, Reiseberichte und Infos


Text Jörg, Fotos Petra und Jörg Reinecke (digital)



Die Stunde der Schakale -
Fünf Wochen Safari von der tierreichen Masai Mara, bis an die heiße Küste und zurück nach Nairobi durch Lumo Conservancy und Tsavo West

- März 2022 / Teil I -




Nairobi, Februar 2022 -
Erleichtert schlossen wir das Moskitonetz und streckten unsere Beine in dem gemütlichen großen Bett aus. Es fiel uns nicht schwer uns gleich wohl zu fühlen, schließlich war dieses Bett in Nairobi seit einigen Jahren immer unsere erste Schlafstätte. Direkt neben dem Bett, welches in einem Gästezimmer bei guten Freunden steht, lagert ein Großteil unserer Safariausrüstung. In der Regel begannen wir gleich nach der Ankunft am späten Abend oder in der Nacht damit "unseren" Land Cruiser auszurüsten und für eine frühe Abfahrt und einen zeitigen Safaristart vorzubereiten, aber an diesem späten Abend waren wir einfach nur müde und froh überhaupt im Land zu sein. Abgesehen von den nicht sonderlich komfortablen Flügen mit der Lufthansa und dem seit Corona noch schlechteren Service, hatte ein kleiner Routinefehler uns auf dem Flug um den Schlaf gebracht. Eine einzige Din A 4 Seite hätte die Einreise von Petra, meiner Frau, verhindern können.

Die Einreiseprozedur nach Kenya hatte in den letzten Jahren durch die Einführung des sogenannten E-Visa und natürlich durch die Corona Pandemie ein nicht zu unterschätzendes Ausmaß erreicht. Angefangenen bei einem aktuellen, nicht älter als 72 Stunden alten negativen PCR Test, der in verschiedenen Formularen online hochgeladen werden muss, einem vollständigen Impfnachweis, der am besten als Zertifikat mitgeführt wird und ebenfalls auch hochgeladen werden sollte, bis hin zu den ausgedruckten Formularen des kenianischen Gesundheitsministeriums, hielt man einen kleinen Stapel Papiere in der Hand. Hatte man die kleine Armee der meist in weiße Kittel gehüllten Männer und Frauen des Gesundheitsministeriums passiert und mehrfach den ein oder anderen QR - Code scannen lassen oder eines der vielen Dokumente vorgezeigt, erreichte man die Menschenschlange vor der Passkontrolle. Hier sollte dank E-Visa dann alles ganz schnell gehen. Soweit die Theorie. Aber erstens hatten wir an diesem Abend fast als letzte Reisenden den Flieger verlassen und standen somit auch ziemlich am Ende einer langen, wartenden Reihe von Einreisewilligen. Zweitens hatte ich für Petra ein falsches oder besser gesagt altes Visum ausgedruckt! Ein Fehler der erst in Hamburg bei der Abreise aufgefallen war und eigentlich unser Einchecken schon in Frage gestellt hatte.
"Oh, das Visum für ihre Frau haben sie aber schon früh beantragt!" stellte die freundliche Dame am Check In Schalter der Lufthansa erstaunt fest und löste bei mir unmittelbar einen Adrenalinschub aus, der neben Schweißperlen auf der Stirn, wilde Gedanken unter der Selben verursachte.
"Wieso?" schaute Petra über den Tressen,
"Ups, dass ist ja das.....!" ein leichter Tritt von mir gegen ihr Schienbein beendete abrupte ihren Satz! Mit großen Augen sah sie mich unvermittelt an.
"Ja, einen Antrag hatte ich früher gestellt!" antwortete ich stattdessen.
"Ich denke die großen Kisten müssen wieder rüber zum Sperrgepäck?" versuchte ich abzulenken.
"Ja bitte, ich denke sie kennen sich aus!" reichte uns die Dame wenig später unsere Bordkarten und wir hatten somit die erste Hürde genommen.

"Bist du irre! Was hast du denn da ausgedruckt? Wenn ich nicht einreisen darf fliegst du mit zurück!" stellte Petra ein wenig aufgebracht fest. Ich sah noch einmal über die Papiere und musste feststellen, dass ich den E-Visa Antrag vom letzten Oktober für Petra ausgedruckt hatte. Ein Visum, welches natürlich schon genutzt und somit abgelaufen war. Ohne zu wissen wie, erklärte ich:
"Das bekommen wir schon hin, ist ja schließlich Afrika!" Da das E-Visa System passwortgeschützt ist und ich alles mögliche im Kopf habe, aber nicht solche Passwörter. Mein Laptop gut gesichert irgendwo lagerte und ich auch keinen Zugriff via Handy auf meine E-Mails hatte, weil ich einfach keine Lust auf Mail oder Internet Stress auf Reisen habe, war es unmöglich den richtigen Antrag auszudrucken oder ausdrucken zu lassen. "Aber der richtige Antrag ist ja im System und bezahlt ist er auch!" stellte ich hoffnungsvoll fest und behielt lieber für mich, dass man schon Leute stehen gelassen hatte, nur weil der Visaantrag nicht in Farbe ausgedruckt war.

Nun standen wir also, zwar mit einem farbigen Visaantrag, aber eben mit einem alten abgelaufenen Antrag , vor dem Schalter und dem dahinter sitzenden freundlich lächelnden Beamten der kenianischen Einreisebehörde. Ich hatte einen Moment gezögert und überlegt auf das falsche Formular hinzuweisen, hatte dann aber einfach selbstbewusst beide Anträge herüber gereicht und auf die typische, ordentliche Papierarbeit der hiesigen Behörden gehofft. Und wie erwartet nahm der Beamte beide Anträge entgegen, sah nur auf den obersten, natürlich meinen Antrag und legte dann beide Anträge zur Seite um sich unseren Pässen zu widmen. Ich gehe jetzt einfach davon aus, dass er im System beide Visa finden konnte, den nach kurzem Fingerscann, hatten wir beide die notwendigen Einreisestempel im Pass und mein Körper entspannte sich langsam wieder.
"Das machst du nicht noch einmal mit mir!" raunte Petra mir zu, als wir uns aufmachten unser Gepäck einzusammeln.

Von Nairobi bis in die Masai Mara
Am nächsten Morgen waren wir dann recht früh damit beschäftigt den Land Cruiser auszurüsten und unser Gepäck einzuladen. Wenig später rollten wir dann vom Hof und quälten uns durch das ganz normale Nairobi Verkehrschaos. Erstaunlicherweise war der Bau der neuen Hochstrasse seit letztem November ein ganz erhebliches Stück voran gekommen und so hatten wir es zwar wie immer mit dichtem Verkehr zu tun, aber wir rollten zumindest auf befahrbaren Straßen und nicht durch Schlammlöcher oder fast unpassierbare, unübersichtliche Baustellenabschnitte. Nachdem wir das Stadtgebiet verlassen hatten, kamen wir sogar recht zügig voran und erreichten trotz der vielen LKWs auf der Strecke ohne größere Matata (Probleme) das Rift Valley, wo wir in Mai Maui erste notwendige Einkäufe erledigten. Auf guter, wenn auch schon etwas angeschlagener, Asphaltstrasse erreichten wir Narok, die letzte größere Stadt auf der Strecke, wo wir einen weiteren Tankstop einlegten und wie gewohnt die dringend notwendige Basis für gelungene Sundowner einkauften. Nachdem der logistische Grundstein für die nächsten 10 Tage gelegt war, ging es auf der neuen, guten Straße, zügig weiter in Richtung Sekenani Gate, dem Tor zur Masai Mara. Wir mussten uns in den letzten Jahren daran gewöhnen, dass auf dieser Strecke und bei der Anfahrt in die Mara, die Sichtung von Großwild quasi weggefallen war. Zu sehr hatten Zäune und die neue Straße das Landschaftsbild und die Möglichkeiten zur Wanderung für das Großwild verändert und fast unmöglich gemacht. Abstecher in die an die Straße grenzenden Conservancy Gebiete hatten wir schon lange nicht mehr unternommen. Hatte man das Kerngebiet der Mara erst einmal erreicht und das Sekenani Gate passiert, tauchte man unmittelbar in die Wildnis ein und wurde meist von ersten Antilopen, Elefanten oder sogar Raubkatzen erwartet.



Uns erwartete vor allem erst einmal eine unglaublich grüne Masai Mara. Wo vor wenigen Monaten noch braune Halme und trockne Büsche standen, tat sich nun ein Meer aus kräftig, grünem Gras vor uns auf. Die Landschaft erinnerte eher an Almwiesen als an eine Savanne. Natürlich wussten wir von den ungewöhnlich starken Wolkenbrüchen und Gewittern vom Anfang des Monats und waren letztendlich froh überhaupt den blauen Himmel über uns zu sehen und nicht unter dichten Wolken reisen zu müssen.
"Sieh zu, dass du vernünftige Reifen auf dem Wagen hast oder besser bring ein Gummiboot und Schwimmwesten mit!" hatte mir vor wenigen Tagen noch ein Freund direkt aus der Mara geschrieben! Wir waren also auf das Schlimmste bzw. katastrophale Pistenverhältnisse, überschwemmte Gebiete und unpassierbare Furten oder Brücken vorbereitet. Unsere Pläne bestimmte Raubkatzen über einen längeren Zeitraum zu beobachten hatten wir schon fast begraben und wollten zunächst einmal nur sehen, was überhaupt geht.



Als wolle die Mara uns zeigen, dass immer etwas geht empfing sie uns wenige Minuten nach der Einfahrt in das Reservat mit einem Löwenrudel. Drei Weibchen und mehrere Jungtiere verschiedenen Alters hielten sich unweit der Hauptpiste auf. Zum Glück unweit der Hauptpiste, denn ein Einbiegen in das Gelände war aufgrund des aufgeweichten Bodens so gut wie unmöglich und auf den wenigen abbiegenden Pisten standen tiefe Pfützen. Wir blieben eine Weile bei dem Rudel und freuten uns besonders über die ersten kleineren Löwen des Jahres. Tapsig folgten die Kleinen ihren Müttern und Tanten durch das hohe, grüne Gras und untersuchten neugierig die Landschaft. Eines der kleinen Löwenkinder hatte einen abgebissenen Schwanz, der aber gut verheilt war. Es gab nun also eine kleine "Half Tail" Lady. Wenig später begegneten wir den ersten Elefanten. Die Dickhäuter zogen friedlich grasend auf uns zu, ehe sie, fast ohne uns zu beachten die Piste passierten.





















Dann nährten wir uns dem Abzweig zum Tilekipiani Camp und somit einem Abschnitt in dem sich regelmäßig eine ganz bestimmte Gruppe von Geparden aufhielt. Wir folgten und beobachteten die Geparden Gruppe seit einigen Jahren und ihre Geschichte und Vergangenheit haben wir speziell in unseren beiden Berichten des letzten Jahres zusammengefasst. Aber diese Geschichte hatte sich vor wenigen Wochen wieder einmal dramatisch verändert. Hatte sich schon in der Mitte des letzten Jahres die Anzahl der Mitglieder von ungewöhnlichen fünf Männchen auf vier reduziert, so war nun Anfang des Monats ein weiteres Mitglied der so erfolgreichen Jagdkoalition unerwartet tot aufgefunden worden. Wie so oft gab es wilde Spekulationen über den Tod der Raubkatze, aber am Ende wird es ein Geheimnis der Wildnis bleiben. Es gibt keine Augenzeugen und keine Obduktion des toten Tieres und somit bleiben die Gerüchte über Löwen- oder Krokodilattacken genauso wie die Vermutung, dass die verbliebenen Geparden ihren ehemaligen Gefährten getötet hatten, reine Spekulationen. Dies bestätigte mir auf dieser Safari auch die Biologin Dr. Elena Chelysheva, die hier in der Mara das Leben der Geparden verfolgt und erforscht und mit der wir in gutem Kontakt stehen.

Wir untersuchten an diesem späten Vormittag ein paar der Lieblingsplätze der nun nur noch drei Geparden die so zu dem neuen Namen Tatu Bora zusammengeschrumpft waren und entdeckten die drei Männchen dann eher zufällig zwischen einigen saftig, grünen Büschen. Entspannt und offensichtlich satt lagen die drei Raubkatzen im Schatten der Büsche und dösten vor sich hin. Wir freuten uns sie so schnell gefunden zu haben und hofften sie nun wieder regelmäßig anzutreffen um mit ihnen zusammen durch die Savanne zu pirschen oder sie beim Jagen zu beobachten. Zunächst aber ließen wir die drei Geparden wieder alleine um unser Camp für die ersten Nächte anzufahren. Noch wussten wir nicht ob das Camp überhaupt zu erreichen war, denn auch der Talek River führte Hochwasser und hatte nur zu oft schon die Brücke überspült und unpassierbar gemacht.





Doch wir hatten Glück, zwar peitschte das Wasser tosend unter der Brücke hindurch, aber der Weg war passierbar und das Aruba Camp somit erreichbar. Wie im letzten Jahr auch hatten wir das Aruba Camp wegen seiner zentralen Lage zu dem "Tatu Bora Geparden" Revier gewählt und freuten uns jetzt wieder eines der gemütlichen Zelte direkt am Talek River zu beziehen. Auch wenn der Fluss gefährlich hoch stand und lautstark an uns vorüber rauschte. Dichtes, kräftiges Grün umgab uns, die sonst so kargen Bäume standen im saftigen Laub und der Ausblick auf den sonst so beschaulich dahin fließenden Fluss hatte eine ganz bestimmte Magie. Noch ahnten wir nicht, wie uns das Getöse der verschiedenen Flüsse der Mara auf dieser Safari begleiten sollte.





Aruba Mara Camp - Talek - Masai Mara




Wir richteten uns kurz ein und kehrten dann zu den Geparden zurück. Zwar waren wir uns relativ sicher, dass die Kater an diesem Nachmittag nicht mehr jagen gehen würden, aber wir wollten wissen in welche Richtung sie weiter wanderten und vor allem wollten wir wissen, wie ihr Jagdrevier auf dieser Seite der Mara befahrbar war. Letzteres führte rasch zu einem ernüchternden Ergebnis, die Mara stand in weiten Teilen mehr oder weniger unter Wasser und Pisten und weite Geländeabschnitte waren nur schwer oder gar nicht befahrbar. Auch die Ausbeute an Wildsichtungen hielt sich stark in Grenzen und es gab nur wenige Grasfresser wie Antilopen oder Zebras in dem Gebiet zu sehen. Zu unserer großen Freude kam allerdings Elena in ihrem kleinen schwarzen Suzuki Jeep nach einiger Zeit auf uns zu gefahren. Und Dr. Elena Chelysheva war genauso erfreut uns zu sehen, denn aktuell waren nicht all zu viele Fahrer und Guide im Feld unterwegs, die ihr mit notwendigen Informationen und Standorten weiterhelfen konnten. Als sie erfuhr, dass wir die drei Männchen bereits am Vormittag, kurz nach unserer Ankunft in der Mara aufgespürt hatten, konnte sie es kaum glauben.
"I try to find them since this morning and couldn't find them!" Zunächst einmal unterhielten wir uns über den mysteriösen und unerwarteten Tot des vierten Geparden und dann fragte Elena nach unseren Plänen für die nächsten Tage. Als ich ihr antwortete, dass wir uns zunächst auf die drei Männchen konzentrieren wollten, war sie geradezu begeistert.
"Oh, that´s fantastic. It´s so hart to find them this days. Please, lets change our sightings. Let me know if you find them and I will call you if I find them!" bat Elena uns unsere Sichtungen und Beobachtungen über die drei Geparden mit ihr zu teilen. Natürlich wollte sie auch uns verständigen, wenn sie Neuigkeiten hatte. Wir begleiteten also die drei Geparden Männchen zusammen bis zum Einbruch der Dämmerung durch hohes, beuteloses Grasland. Erst am frühen Abend als der Himmel immer dunkler wurde, trennten sich unsere Wege. Wir erreichten gerade noch rechtzeitig vor einem ungeheuren Wolkenbruch das Aruba Camp. Während wir eine heiße Dusche genossen und uns anschließend einen ersten Abschlussdrink anstatt eines Sundowners einschenkten, zuckten über uns gewaltige Blitze und der Regen prasselte auf unser Zeltdach.










Auch als wir später unser Dinner im Camp im Dinningzelt einnahmen, hatte es nicht aufgehört zu regnen. Eigentlich regnete es auch nicht, sondern es schüttete einfach nur Wasser vom Himmel herunter. Gespannt betrachteten wir vor dem Schlafengehen, den immer weiter anschwellenden Fluss vor unserem Zelt. Sandra, Ronny und ihre Kinder, Bekannte von uns und Freunde bzw. Safarigäste von Margit (Kiwara Safaris Ltd.), die schon seit gut einer Woche im Aruba Camp waren, hatten vor einigen Tagen wegen der Wassermassen ihre Sachen in den Zelten hochgestellt und in Sicherheit gebracht. Wobei die junge Familie nicht all zu viele Sachen zum Hochstellen hatte, aber das ist eine andere "Lufthansa long story".
(An dieser Stelle ein erster Gruß an Sandra Lange und ihre großen und kleinen Männer)
Am Ende blieben die Zelte aber dieses Mal trocken. Dennoch wäre es nicht das erste Mal gewesen, dass das Aruba Camp überflutet worden wäre. Noch aber sah es dramatisch aber nicht beängstigend aus und so lauschten wir in dieser Nacht den Wassermassen anstatt den Löwen und Hyänen.

Am nächsten Morgen fuhren wir bei Sonnenaufgang über den Talek River und fingen an nach den drei Geparden Männchen zu suchen. Der Talek Fluss hatte sich wieder etwas beruhigt, aber die Landschaft war vollgesogen mit den Wassermassen. Überall standen tiefe Pfützen auf den Pisten, am Rande der selben flossen kleine Bäche und abseits der Allwetterpiste war es schwer vorwärts zu kommen. Kaum war man auf eine der kleinen Pisten aufgebogen, setzte sich das Reifenprofil zu und der Land Cruiser fing an zu schlingern, als würde er auf Eis fahren. Trotz der widrigen Umstände fuhren wir nacheinander die uns bekannten Ruhe- oder Markierungsplätze der Tatu Bora Geparden an. Mehr als zwei Stunden durchkreuzten wir die matschige, schlammige Gegend. Dann gaben wir auf. Nicht nur dass wir die Geparden Männchen nicht aufspüren konnten, es war auch kaum anderes Wild zu beobachten. Wir hatten so wenig Wildbeobachtung, dass wir anfingen mysteriöse Pilzkreise, sogenannte Hexenringe, zu fotografieren.










"Ich fahr rüber auf die Kiombo Seite, mal sehen wie es dort aussieht und wie es um die Brücken steht!" teilte ich Petra meine Entscheidung mit und fuhr zurück in Richtung Talek Gate. Auch die Hauptstraße, die eigentlich aus einer holprigen Sandpiste bestand, wurde von großen tiefen Wassermassen unterbrochen. Einige so tief, dass die Motorhaube, des eigentlich recht hohen Land Cruisers, bei der Durchfahrt überspült wurde. Nachdem wir den Ort Talek passiert hatten, stellten wir fest, dass es für die Widereinfahrt in das Mara Reservat nun auch auf der Ol Kiombo Seite ein Gate bzw. ein Einfahrtstor gab. Aktuell zwar noch nicht wirklich im Betrieb, aber immerhin schon einmal vorhanden, dachte ich als ich das neue Gebilde umkurvte und dann zunächst auf der Allwetterpiste in Richtung Ol Kiombo Airstrip bzw. Double Crossing Brücken fuhr.





Einen zwischendurch versuchten Abstecher, hinunter zum Talek Ufer, brachen wir schnell wieder ab, da auch hier weite Teile der Landschaft unter Wasser standen bzw. vom selben durchtränkt waren.
"Das können ja spannende Tage werden!" sagte Petra als wir auch auf dieser Seite des Talek Flusses zunächst nur wenig Wild erspähten. Dann klingelte mein Handy:
"Where are you?" hörte ich Elena auf der anderen Seite nach unserem Standort fragen.
"We are now on the Kiombo side. We didn't find the boys this morning!" antwortete ich.
"Oh, ok. I got the information that they have seen not fare from Ashnil Camp. But that area is very wet and muddy in the moment. But I let you know!" erklärte Elena. Wir überlegten einen Augenblick ob wir wieder zurück auf die andere Seite fahren sollten, entschlossen uns dann allerdings erst einmal weitere Infos abzuwarten und fuhren weiter.

Plötzlich änderte sich die Situation schlagartig. Nicht nur das wir in der Kurzgrasebene zwischen Ol Kiombo Airstrip und Mainroad nun vermehrt verschiedene Antilopen, Zebras und Giraffen sahen, kaum in die Ebene eingefahren erspähten wir zwei Schakale. Genau genommen zwei Schabrakenschakale. Die kleinen Räuber hatten ganz offensichtlich ein Grantgazellen Kitz aufgespürt und vermutlich auch schon angegriffen. Als wir den Schauplatz erreichten versuchte gerade wieder einer der beiden kleinen Hunde das recht große, laut blökende Kitz aufzuheben. Kaum hatte er aber seine Schnauze nach dem schreienden Kitz ausgestreckt, erschien die wütende Mutter mit gesenktem Kopf und nach vorne gestreckten Hörnern. Der Schakal wich dem Angriff geschickt aus und dann gingen die beiden Schakale ihrerseits zum Gegenangriff über. Nun flüchtete die Gazellenmutter und mehr wollten die Schakale auch gar nicht erreichen. Während das Weibchen die Grantgazelle noch ein wenig weiter verfolgte, drehte der Rüde ab und stürzte sich wieder auf das Gazellenbaby. Schon oft hatten wir Schakale mit eigener Beute beobachtet und nicht nur als gewitzte Diebe am Kill anderer kennengelernt. Aber was in den nächsten anderthalb Stunde geschah hatten wir so auch noch nicht beobachtet und schon gar nicht so detailliert dokumentiert. Was in den nächsten anderthalb Stunden geschah ist nichts für schwache Gemüter und ich kann verstehen, wenn nicht jeder so detailliert wissen möchte wie grausam die Natur sein kann. Dennoch werde ich beschreiben was wir beobachtet haben und bitte jeden der der Natur nicht sooo nahe sein möchte, nach diesem Satz einfach diesen Teil zu überspringen, die folgenden Bilder durch zu scrollen und erst nach den Bildern weiter zu lesen! Oder gleich auf den Teil II dieses Berichtes zu kicken:
"hier geht es weiter!"














Noch während die Fähe die Grantgazellen Mutter jagte und ablenkte, stürzte sich der Rüde auf das Kitz, packte es an der Kehle und hob es auf. Wir erwarteten jeden Moment den erlösenden Würgebiss des Schakals. Doch kaum hatte der Schakal das Kitz auf den Boden geworfen und angefangen mit seinem, eher kleinen, spitzen Zähnen die Kehle der kleinen Antilope zuzudrücken, da erschien die Gazellenmutter und griff den Schakal wütend an. Mit gesenktem Kopf rannte sie auf den Schakal zu. Dieses Mal war sie clever genug dem flüchtendem Räuber nicht all zu weit zu folgen, sondern vertrieb ihn nur und kehrte dann zu ihrem, regungslos am Boden liegenden Kitz zurück. Während wir versuchten zu erkennen, ob die kleine Antilope noch lebte, waren die beiden Schakale schon wieder dabei die Mutter zu attackieren. Zähnefletschend, mit weit nach vorne gestrecktem Kopf und hoch erhobenen, buschigem Schwanz griffen sie die große Gazelle an. Diese wich nur kurz zurück und ging dann unmittelbar zu einem Gegenangriff über. Kaum hatte sie aber die Verfolgung des einen Räubers aufgenommen, drehte der andere ab und kehrte zum Kitz zurück. Dieses Mal war es die Fähe die versuchte das offenbar immer noch lebende Kitz zu töten. Erstaunt sahen wir, wie die Räuberin ihrer Beute in den Bauch biss und versuchte diese zu öffnen. Die Schakale schienen sich sicher zu sein die kleine Gazelle getötet zu haben, den jetzt stürzten sich beide Tiere auf die Gazellen Mutter. Dieser Angriff sollte die große Gazelle nicht vertreiben, bei diesem Angriff versuchten sie nun auch die Mutter zu erbeuten. Gezielt schnappten die Schakale nach den Beinen der flüchtenden Grant Gazelle, doch diese konnte im letzten Moment entkommen. Während die Gazelle davon galoppierte, kehrten die beiden Schakale zu ihrer vermeintlichen Beute zurück. Wieder versuchte die Fähe in den Unterleib der Babygazelle zu beißen. Ihre Pfoten hatte sie auf den regungslosen Körper des Kitzes gestellt und ihre spitzen, kleinen Zähne versuchten gerade das Fell und die Haut zu durchdringen, da erschien erneut die Gazellen Mutter und verteidigte entschlossen ihr Kleines. Wieder und wieder griff die Mutter die Schakale an und wieder und wieder drehten die Schakale den Spieß um und jagten die Gazelle. Nach endlosen 10 Minuten waren beide Seiten erschöpft, wobei wir nicht genau wussten, wie lange dieser Kampf schon vor unserer Ankunft getobt hatte.



















































Allerdings wirkten die beiden Schakale deutlich angeschlagener als ihre Gegnerin. Während die Gazelle entschlossen zwischen den Angreifern und ihrem Kitz stand, ließ sich einer der Schakale an Ort und Stelle nieder, während der andere, mit hängender Zunge, neben einem schatten spendenden Busch kauerte. Dann geschah das unglaubliche, das Kitz erhob seinen Kopf und sah nach seiner Mutter. Diese trabte augenblicklich heran, beschnupperte ihr Kleines und munterte es durch anstupsen zum Aufstehen auf. Immer wieder stupste sie ihr Junges an, dieses hatte zwar den Kopf erhoben doch es war ganz offensichtlich zu schwach und zu angeschlagen um aufzustehen. Geduldig blieb die Mutter bei ihrem Kind und sah sich immer wieder nach den in der Nähe liegenden Schakalen um. Zwischendurch unternahm sie einen verzweifelten Versuch die Schakale noch weiter zu vertreiben, diese wichen ihr aber nur kurz aus und legten sich dann wieder in den Schatten. Unendliche 20 Minuten vergingen, in denen die Gazelle neben ihrem Kitz wachte. 20 Minuten in denen die Schakale offensichtlich wieder zu Kräften gekommen waren. In dem Moment, in dem das Kitz versuchte auf die Beine zu kommen, griffen die Schakale erneut an. Mit einer kurzen Attacke vertrieben sie die Mutter und stürzten sich dann gemeinsam auf das blökende Kitz. Während einer der hungrigen Angreifer die kleine Gazelle an einem der Hinterbeine packte, bohrte der andere seine Zähne in die Kehle der Beute. Dann zerrten die beiden Schakale so lange an dem Kitz herum, bis dieses am Boden lag. Mit ihren kleinen aber scharfen Zähnen hatten sie inzwischen die Bauchdecke des Kitzes geöffnet und fraßen gierig erste Innereien. So hoffnungslos die Lage für die Gazellen auch aussah, die Mutter wollte nicht aufgeben. Erneut griff sie die beiden Schabrakenschakale an. Wieder und wieder kam sie mit gesenktem Kopf und wild entschlossen auf die Schakale zu gestürmt. Immer wieder musste sie dabei auch um ihr eigenes Leben fürchten, wenn sich z.B. die Schakalzähne in ihre Flanke bohrten. Immer wilder und entschlossener wurden die Angriffe der Gazellenmutter. Dann stand auf einmal ganz unverhofft das schwer verletzte Kitz auf den Beinen und lief zu seiner Mutter, im Bruchteil einer Sekunde erkannte die Gazelle die Chance und flüchtete mit ihrem Kitz. Doch dieser Plan war ohne die neu gewonnene Ausdauer der Schakale gemacht. Schnell hatten die beiden kleinen Raubtiere die Flüchtenden eingeholt und rissen das Kitz erneut von den Beinen, um sich sodann erneut über ihre Beute her zu machen. Obwohl die Mutter auch weiterhin eingriff, war das Schicksal der kleinen Antilope nun endgültig besiegelt und wir sahen mit an, wie die beiden Schakale nach mehr als 80 Minuten erbittertem Kampfes, ihre Beute zerrissen und gierig davon fraßen. Aber selbst als jeder der Schakale mit einer Hälfte der Beute in unterschiedliche Richtungen zum Fressen abzog, waren die Räuber noch nicht vor der Mutter sicher, auch jetzt noch attackierte sie die Schakale.


















































Der Anblick dieses Naturschauspiels war nicht immer leicht für Petra zu ertragen und besonders der Moment, als das schwer verwundete Kitz, mit heraushängenden Gedärmen seiner Mutter folgte, tat weh. Aber die Schakale waren nur ihrem natürlich Trieb gefolgt und hatten sich durch diese hart erkämpfte Beute ihr überleben gesichert.
Als wir eher zufällig nach gut fünf Stunden wieder das das Gebiet zurück kamen, in dem das Kitz sein Leben gelassen hatte. Stellten wir erstaunt fest, dass die Gazellenmutter immer noch auf den Fersen der Schakale war, diese verfolgte und auch immer wieder attackierte! Selbst wenn sich die Schakale vor der Gazelle in einem dichten Gestrüpp verborgen hielten, lauerte die trauernde Gazelle wartend vor dem Busch, als wolle sie ihren Kindsmördern keine ruhige Minute in ihrem Leben mehr lassen.



- Teil II -
Geparden im reissenden Fluss

(hier gehts weiter - continue!)





Boko Boko - Porini, Farm and Guesthouse